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Enerige & Management > E&M Vor 20 Jahren - „Mit dem heutigen Genehmigungsprozedere nicht zu haben“
Dena-Geschäftsführer Stephan Kohler (auf einem Bild von 2010). Quelle: Dena
E&M VOR 20 JAHREN:
„Mit dem heutigen Genehmigungsprozedere nicht zu haben“
Dass der Ausbau der Erneuerbaren und der Ausbau der Stromnetze Hand in Hand gehen müssen, war schon vor 20 Jahren klar. Die Dena-Netzstudie sollte als Leitfaden dienen.
 
Stephan Kohler sah in der Dena-Netzstudie von 2005 die Bestätigung für den künftigen Ausbau der Windkraft. Im Gespräch mit dem ehemaligen E&M-Chefreporter Ralf Köpke erläuterte der 2020 verstorbene damalige Dena-Geschäftsführer, warum. Hier eine leicht gekürzte Fassung des Interviews von damals.


E&M: Herr Kohler, gilt für die Dena-Netz-Studie die alte Fußballer-Weisheit: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel? Sind so manche Punkte offengeblieben, so dass es deshalb eine Nachfolgestudie geben muss?

Kohler: Überhaupt nicht. Wir haben mit der Studie einen wichtigen Baustein abgeliefert, der zeigt, dass ein 20-prozentiger Ökostromanteil an der bundesweiten Stromerzeugung im Zeitraum zwischen dem Jahr 2015 und 2020 möglich ist – und somit das im Erneuerbaren-Energien-Gesetz definierte Ziel erreicht wird. Und für diese Zielerreichung haben wir einen konkreten Maßnahmenkatalog vorgelegt.

E&M: Der Netzfachmann Professor Hans-Jürgen Haubrich hält es für illusorisch, dass von den in der Studie genannten erforderlichen 450 km neue Leitungen bis zum Jahr 2010 auch nur ein Kilometer gebaut wird.

Kohler: Die Bundesregierung arbeitet als Folge des Job-Gipfels Mitte März an einem Beschleunigungsgesetz für Infrastrukturmaßnahmen. Dazu hat Bundeskanzler Gerhard Schröder auch explizit Trassen für Stromleitungen genannt, die im nun vorliegenden Gesetzesentwurf enthalten sind. Das ist für mich eine konkrete Auswirkung der Netzstudie: Im politischen Raum ist angekommen, dass die Pläne für den Offshore-Windausbau und damit auch die Ziele für den Ökostromausbau mit dem heutigen Genehmigungsprozedere nicht zu haben sind.

E&M: Auch wenn der Entwurf für das Beschleunigungsgesetz noch vor der Sommerpause vorliegen soll, bleibt damit ein Problem ungelöst: Das Akzeptanzproblem ist völlig ausgeklammert worden. In Niedersachsen gibt es schon heute mehrere Bürgerinitiativen gegen den Trassenneubau.

Kohler: Den Vorwurf kann ich nur zum Teil akzeptieren. Wie sollen Bürgerproteste in einem Gutachten berücksichtigt werden? Wir haben gesagt, das 20-Prozent-Ziel bis 2015 ist ambitioniert und mit dem heutigen Genehmigungsprocedere nur schwer zu schaffen. Wenn es dabeibleibt, erreichen wir das Ziel bis 2020. Für mich ist aber klar: Auch mit den Beschleunigungsgesetzen werden Bürgerinteressen nicht eingeschränkt.

„Trassen werden vom Stromhandel mitbenutzt“

E&M: Wird es mit den Beschleunigungsgesetzen möglich sein, die ersten 450 km neuer Höchstspannungsleitungen bis zum Jahr 2010 bauen zu können?

Kohler: Wir dürfen bei der Diskussion um den Trassenbau nicht den Fehler machen, für alle damit verbundenen Probleme nur die Windenergie verantwortlich zu machen. Viele der in der Studie als notwendig erachteten Trassen werden zwar jetzt von der Windkraft initiiert, werden aber künftig auch vom Stromhandel mitbenutzt – vor allem die neuen Ost-West-Verbindungen. Das ist eine unmittelbare Folge der Liberalisierung und der Forderung der EU-Kommission, auch die Beitrittsländer im Osten nicht vom Stromhandel auszuschließen.

E&M: Während der Bearbeitungsphase und auch nach Abschluss der Studie versucht die Stromwirtschaft den Eindruck zu vermitteln, die Windkraft sei ein Störenfried im jetzigen und im künftigen Stromversorgungssystem.

Kohler: Mit der Dena-Netzstudie haben wir nachgewiesen, dass die Windenergie in das Verbundnetz integrierbar ist. Wir müssen das Gesamtsystem und einzelne Instrumente so optimieren, damit die Windenergie ein normaler Bestandteil der stromwirtschaftlichen Zusammenarbeit wird. Dafür hat die Studie, die die Verbundwirtschaft und die Windbranche mitfinanziert hat, Wege aufgezeigt.

E&M: Der Netzausbau ist eine der notwendigen Maßnahmen. Wo sehen Sie weiteren Handlungsbedarf?

Kohler: Wir müssen die Prognosegenauigkeit für die Windstromeinspeisung weiter verbessern. Je genauer die Vorhersagen werden, desto geringer fällt der Aufwand für Regel- und Reserveenergie aus. Ich will noch einmal das Stichwort Störenfried aufgreifen: Als die großen Atomblöcke mit 1.300 MW Leistung gebaut worden sind, waren das auch Störfaktoren im Netz. Die Verbundwirtschaft musste vor zwei, drei Jahrzehnten ihr gesamtes Netz aus- und umbauen, um gegen einen Ausfall der großen Kraftwerksblöcke gewappnet zu sein. Das ist damals geschafft worden und wird sich für die Integration der Windkraft wiederholen, da bin ich mir sehr sicher.

E&M: Die Prognosegenauigkeit liegt schon heute bei der 24-Stunden-Vorausschau bei gut 90 Prozent. Was halten Sie künftig für machbar?

Kohler: Ich will mich nicht auf einen Wert festlegen. Fest steht aber, jeder Prozentpunkt mehr an Genauigkeit senkt die Kosten für Regel- und Reservekraftwerke. Genauso wichtig sind uns auch verbesserte Maßnahmen auf der Nachfrageseite, womit ich vor allem Maßnahmen für das Lastmanagement meine. Der flexible Verbrauch von beispielsweise Druckluftanlagen oder Kühlhäusern lässt sich an die möglichen Schwankungen der Windstromeinspeisung anpassen. Wir möchten damit den konventionellen Kraftwerkspark so beeinflussen können, dass er möglichst effizient eingesetzt werden kann. Solche Maßnahmen sind letztlich auch preisgünstiger als die Reserve- und Regelenergiebereitstellung durch die herkömmlichen Kraftwerke.

„Die ersten Pilotanlagen sind bereits im Teststadium“

E&M: Sind nicht schon Preissenkungen möglich, wenn es demnächst wie von den Gutachtern vorgeschlagen nur noch eine statt der heutigen vier Regelzonen gäbe?

Kohler: Mit dem novellierten Erneuerbare-Energien-Gesetz haben wir einen online-Ausgleich zwischen den vier deutschen Regelzonen, der sicherstellt, dass jeder Netzbetreiber nur so viele Windenergie ausregeln muss, wie es seinem Anteil am gesamten Stromabsatz entspricht. Trotz der vier bestehenden Regelzonen ist heute also der online-Ausgleich erfüllt.

E&M: Der Regelenergie-Ausgleich wird sich wohl noch erhöhen, wenn demnächst die ersten Offshore-Windparks ans Netz gehen. Halten Sie angesichts des schleichenden Fortgangs die vom Deutschen Windenergie-Institut (Dewi, die Red.) für die Netzstudie ermittelte Prognose von 10.000 MW Offshore-Windkraftleistung bis zum Jahr 2015 für realistisch?

Kohler: Ja. Wegen der vorhandenen Randbedingungen in der deutschen Nord- und Ostsee machen nur Anlagen der Fünf-MW-Klasse wirtschaftlich Sinn. Die ersten Pilotanlagen verschiedener Hersteller sind bereits im Teststadium, weshalb ich die ersten wirklichen Offshore-Anlagen im Jahr 2007 erwarte. Wenn diese Hürde malgenommen ist, dann erwarte ich innerhalb der nächsten Jahre eine Dynamik, mit der die Dewi-Prognose erfüllt werden kann - vorausgesetzt, es gibt an Land die entsprechenden Netze für die Stromableitung.

E&M: Sie haben immer wieder betont, dass die Integration der Windkraft künftig mit einem veränderten Kraftwerkspark einfacher wird. Bleibt das nicht ein frommer Wunsch angesichts der angekündigten Neubauten fossiler Kraftwerke aus den vergangenen Wochen?

Kohler: Die angekündigten Neubauten beunruhigen mich nicht, ich halte sie für erforderlich. Für die Integration der Windenergie ist viel wichtiger, dass es zum einen beim vereinbarten Ausstieg aus der Atomkraft bleibt. Und dann kommt es auf den Standort der neuen Kraftwerke an. In der windreichen norddeutschen Küstenebene stehen viele Atomblöcke für die Grundlast, die zukünftig durch flexiblere Kraftwerke auf GuD-Basis oder Steinkohle ersetzt werden sollten.
 
 

Ralf Köpke
© 2025 Energie & Management GmbH
Sonntag, 25.05.2025, 12:51 Uhr

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